Kein Wort über die Vertreibung und Ermordung der 60.000 Juden in der Leopoldstadt während der NS-Zeit 1938 bis 1945: Tafel im Amtshaus für den 2. Wiener Gemeindebezirk (Ausschnitt).

Foto: Avraham

Wien - Bei der Eröffnung der bis 14. Juni laufenden Ausstellung Widersprüche im Open Space kündigte der Künstler Eduard Freudmann, eine Aktion an, die er auch umsetzte: Er demontierte im Bezirksamt Leopoldstadt eine Hinweistafel und ersetzte sie durch ein politisches Kunstwerk des Israeli Menachem Lemberger.

Dem Lehrbeauftragten an der Akademie der bildenden Künste war aufgefallen, dass im historischen Rückblick auf der Tafel mit keinem Wort die Vertreibung der Juden angesprochen wird. Man erfährt nur, dass der Untere Werd, auf den die Juden 1625 verwiesen worden waren, 1670 in Leopoldstadt umbenannt wurde. Und über die NS-Zeit ist zu lesen: "Während des 2. Weltkrieges wurden 20% aller Wohnungen und fast alle Donaubrücken vernichtet."

Freudmann brachte die Tafel in den Open Space am Lassingleithnerplatz 2 (an der Taborstraße): Sie wurde, durch Erklärungen ergänzt, Teil der von Nora Sternfeld kuratierten Schau. Doch nur für wenige Minuten. Denn die Polizei stellte das Objekt sicher. Gegenwärtig wird gegen Freudmann wegen Sachbeschädigung ermittelt.

NS-Verbrechen "verschwiegen und verharmlost"

Die Tafel hängt aber nicht mehr im Amtshaus: Bezirksvorsteher Gerhard Kubik (SP) befürchtet, "dass die Leute wiederkommen" könnten. Für das Entwenden der Tafel habe er "kein Verständnis". Diese wurde zwar in seiner Amtszeit (seit 1999) angebracht, er sei aber für sie nicht verantwortlich. Er verwies den Standard an Bezirksamtsleiter Thomas Schuh. Und dieser verwies an die MA 34 (Gebäudeverwaltung). Und dort verwies man an die Gewista, die ein anderes Unternehmen mit der Umsetzung der Tafel beauftragte.

Wer auch immer zuständig ist: In einem offenen Brief stellen der Schriftsteller Doron Rabinovici und andere fest, dass der geschichtliche Rückblick die NS-Verbrechen "verschweigt und verharmlost". Mit dem Hinweis auf die "Vernichtung" von Häusern würde eine Täter-Opfer-Umkehr betrieben. Die Unterzeichner fordern eine den Tatsachen entsprechende Darstellung. (trenk, DER STANDARD, Printausgabe, 7.6.2011)